Nur jeder zweite Haushalt hat eine Tageszeitung abonniert, die letzte Staffel des „Dschungelcamp“ hatte eine unglaublich riesige Einschaltquote, die Grundschulempfehlung in Baden-Württemberg ist gefallen, auf schlechte Noten ihrer Sprösslingen reagieren Eltern aggressiv gegen Lehrer, weil das nicht sein kann, die Gemeinschaftsschule wird propagiert und soll unabhängig von der sozialen Herkunft alle Schüler zum Erfolg mitnehmen….nur, wohin?
Derweil mäkelt der telegene Philosoph Richard David Precht in seinem neuen Buch über „[…] gefährliche(n) Entwicklungen, die wir heute noch aufhalten können. Seit Bekanntwerden der Pisa-Studie ist die Zahl der Kinder, die in Privatschulen gehen, rasant gestiegen. Wenn das so weitergeht, werden zumindest in der Mittelschicht irgendwann mehr Kinder auf private als auf öffentliche Schulen gehen. Dann haben wir die Zweiklassengesellschaft ab der Grundschule. In so einer Gesellschaft will ich nicht leben. Schon heute gehört Deutschland ja zu den Ländern, in denen sich die Herkunft besonders stark auf den Schulerfolg auswirkt.“
Er gibt vor, keine keine Erlösungsfantasien für eine besseres Bildungssystem zu formulieren, sondern lässt konkrete Vorschläge raus, wie man „die“ Schule heute besser machen kann. Darüber möchte er eine Debatte auslösen, und zwar über „Lernfabriken, die Kreativität töten“. Und er warnt Mittelschichtfamilie vor einem guten Gewissen, wenn diese ihr Kind auf eine staatliche Schule schicken. Das freut den Schulrat, die Referendare, die Seminarleiter und und und…
„Anna, die Schule und der liebe Gott“ heißt das neue Buch von Richard David Precht, das seit dem 22. April im Handel ist. Precht entrüstet sich darin über das deutsche Bildungssystem und entwirft das Bild einer besseren Schule. Im Kapitel „Die Bildungskatastrophe“ stellt er dem Bildungssystem eine verheerende Diagnose; im zweiten, „Die Bildungsrevolution“, macht er Vorschläge zum Umbau der Schule. Diese sind zum Teil recht radikal, wie etwa die Einführung einer Kindergartenpflicht vom dritten Lebensjahr an.
Precht propagiert ein „neues Lernen“ und weiß auch gleich, wie das konkret aussehen soll (?). Denn Kinder wollen lernen. Das weiß jeder, der welche hat. Glaubt jeder, der welche hat, denn mit zunehmenden Lebensjahren, und da gibt es immerhin doch die Pubertät, geht das deutlich zurück. Man nehme nur mal die Klientel derer, die von der Hauptschule kommen und nach weiteren zwei Jahren auf der Wirtschaftsschule in Richtung Berufsausbildung oder durchlässige Oberstufe am beruflichen Gymnasium streben…
Precht fängt vorne an: Jedes Kind lernt Sprechen und Laufen, ohne dass man als Eltern viel tun muss. Fast alle Kinder gehen anfangs auch freudig zur Schule. Doch schon nach kurzer Zeit verlieren sich die Neugier und die Lernfreude. Er glaubt, dass dies daran liege, dass das klassische Unterrichtsmodell sich viel zu wenig die Frage stellt, ob die Schüler in dem, was sie da vorgesetzt bekommen, einen Sinn sehen.
Warum auch sollte sich ein 13-Jähriger – von Ausnahmen abgesehen – für eine physikalische Formel interessieren? Warum sollte er wissen wollen, was eine Adverbial-Phrase ist? Er lernt vielleicht beides, weil er es muss. Doch innerhalb kürzester Zeit hat er den Stoff wieder vergessen.
Und Precht schlägt vor…
Nach den Grundlagen der Primarstufe müsse die Schule sehr viel stärker in Projekten unterrichten: beim Klimawandel und auch für die Goethezeit. Da liest man mit dem Deutschlehrer den Faust, der Geschichtslehrer erläutert die Situation im damaligen Deutschland, und der Chemielehrer berichtet über alchimistische Versuche und macht dazu Experimente mit Eisen und Schwefel. Und dann auch noch Theater mit den „Schauspielbegeisterten“, die im Anschluss eine Szene aus dem Stück proben. Wer so lernt, versteht die Zusammenhänge und den Sinn des Gelernten.
Klar doch, vor allem am Wirtschaftsgymnasium, weil BWL, VWL und Rechnungswesen so knackig
projektable Fächer sind: Der Betriebsabrechnungsbogen und die trocken gelegten Steueroasen im Lichte des eventuell Gewinn-flüchtigen selbständigen Kaufmanns….
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