Nicht nur foodwatch kämpft gegen die Lobbyisten der Nahrungsmittler…
„Die Politik macht das, was 80 Prozent ablehnen. Deshalb wird die Demokratie zum Störfaktor“. Der Philosoph Jürgen Habermas brachte wohl kürzlich auf den Punkt, was politisch bewusste Personen empfinden: Wie will ein Land demokratisch sein, wenn Entscheidungen der Politiker nicht dem Willen der Bevölkerung entsprechen, sondern bestimmten Interessengruppen?
Und so fragt auch Thilo Bode von foodwatch, warum wir eigentlich wählen, wenn am Ende nicht geschieht, was vom Bürger gewollt wird und ihm nützt? Statt dessen geht es um Gewinne der Banken, der Versicherungen sowie der Auto-, Chemie- und Lebensmittelkonzerne.
Sind nun die Situationen so dramatisch? Muss man wirklich annehmen, dass mit der Demokratie etwas nicht (mehr) stimmt?
Die Antwort fällt schnell: In Brüssel sorgen mehr als 30.000 Lobbyisten – fast 40 pro Europaparlamentarier – dafür, dass das Prinzip ‚Demokratie‘ laufend außer Kraft gesetzt und zur Lobbykratie mutiert.
* Mit Marktmacht, Geld, „Think-Tanks“ und Rechtsvertretern wehren die Konzern-Lobbyisten Gesetze ab. Eine Milliarde (!!) Euro wurde von der Lebensmittelindustrie aufgewendet, um nach jahrelangen Kampagne die „Ampel-Kennzeichnung“ zu verhindern, die von 70 Prozent der Verbraucher gewünscht wird. Mit klarem Blick könnte zu erkennen sein, ob ein Lebensmittel viel, mittel oder wenig Zucker, Salz und Fett enthält. Verbraucher könnten vermeintliche Fitness-Produkte als Zuckerbomben entlarven.
* Die Lebensmittelindustrie beschreibt seit Jahren die Informationen auf Verpackungen in kleiner Schrift – kaum lesbar ist. Damit ist es durch Lobbyisten geschafft, den Vorschlag der EU-Kommission auf 3 Millimeter Schriftgröße zu verhindern. So bleiben vorgeschriebene 1,2 Millimeter bezogen aus kleine x. Deshalb die Lupe an so manchen Einkaufskörben der Supermärkte.
Voll daneben die Begründung der Lebensmittelindustrie. Sie argumentiert nämlich, eine größere Schrift würde ihren „Markenauftritt“ gefährden!
Auch wenn es zur Demokratie gehört, dass Interessenverbände sich für ihre Anliegen stark machen und Parlamentarier und Regierungen davon überzeugen dürfen, dürfen aber auch die Streiter für die Rechte der Verbraucher sich in Szene setzen.
Es darf aber nicht sein, dass die Gesetze nach den Interessen einer Wirtschaftsbranche geschrieben werden und dass eine Regierung „der Industrie in den Sattel hilft“.
* Für den Alemannen ist es „voll denebe“, dass das Schweinefleisch für den Schwarzwälder Schinken aus ganz Europa, ja sogar aus den USA kommen darf, denn der Konsument erfährt so was eher nicht…
Und auch die Früchte für Marmelade (der Alemanne sagt hier „Xelz“) können aus Südamerika kommen…
Doch Verbraucher wollen eben wissen, woher die Lebensmittel kommen, weshalb sich das EU-Parlament eigentlich für eine besserte Benennung der Provenienzen ausgesprochen hat.
Doch auch diese Initiative ist an der Lobbyarbeit der Lebensmittelindustrie gescheitert.
Deshalb gibt nach wie vor keine Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel, weil anscheinend eine „Rüge“ der Lebensmittel-Lobby, reicht, auf dass Verbraucher nicht informierter gestellt werden. Und so knickt die Politik ein.
Denn ein „Transparenzregister“ in Straßburg und Brüssel, wo sich alle Lobbyisten mit ihrem Interesse und Budget eintragen sollen, bleibt frommer Wunsch, denn die Eintragung in das Transparenzregister ist freiwillig!
Politische Erfahrung lässt erkennen: nix wird besser, alles wird schlimmer! Methoden und Strategien hebeln die Wirtschaftsinteressen für ein Allgemeinwohl aus und Regierungen werden vorgeführt. Doch darf es nicht sein, dass die Lebensmittelkonzerne die Lebensmittelgesetze schreiben!
Wer etwas verändern will, muss soviel Fürsprecher hinter sich haben, dass deren Zahl die der Lobbyisten übersteigt. Nur dann kann auch foodwatch den Einfluss der Lebensmittellobby zurückdrängen.
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