Die Sozialdemokraten stehen auch 2017 für die Bürgerversicherung, und zwar für alle Krankenversicherten in Deutschland. Doch die Wissenschaft ist dagegen! So auch Dr. Udo Steiner *), nach dessen Einsicht man auf die Einheitsversicherung endgültig verzichten solle.
Wo aber lag der Ursprung der Idee einer Bürgerversicherung?
2007 verpflichtet das GKV-Wettbewerbs-Stärkungsgesetz für alle Einwohner ohne bisherige Absicherung im Krankheitsfall einen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder bei einer privaten Krankenversicherung (PKV): eine der letzten Großtaten des deutschen
Das nun führte für die gesetzlichen Kassen mit 70 Millionen Versicherten zum verstärkten Wettbewerb, weshalb auch Zusatzleistungen und Wahltarife angeboten wurden.
Der Gesetzgeber verpflichtete die PKVen mit ihren bis neun Millionen Vollversicherten zu einem branchenweit einheitlichen Basistarif als Krankheits-Vollversicherung, damit deren vertragliche Leistungen mit denen der GKV vergleichbar sind: der Beitrag darf dabei den Höchstbetrag der GKV nicht übersteigen und Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse sind nicht zulässig.
Verfassungsrechtlich wurde 2009bestätigte, dass dieser Basistarif mit dem Grundgesetz vereinbar ist (1 BvR 706/08). Damit gelten die Lasten zwischen gesetzlichen und privaten Trägern der Krankenversicherung als gerecht verteilt.
Warum aber halten Parteien an der Bürgerversicherung fest?
Ganz einfach, weil wohl eine Einheitsversicherung (eine Bürgerversicherung als monistisches Modell der Krankenversicherung) in Wahljahren zum sozialpolitischen Standard-Lamento für grüne oder rote oder linke Politik gehört.
Für manchen eine faszinierende Idee der Einheitsversicherung, in die einkommensabhängig einbezahlt wird durch Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, und aus der alle gleiche medizinische Leistungen erhalten.
Wie aber stehen die Chancen für eine Bürgersicherung, wenn es keine private Krankenvollversicherung mehr geben soll?
Da weder GKV noch PKV verfassungsrechtlich gesichert sind, gilt jedoch historisch, dass die PKVen vor dem Grundgesetz entstanden sind, dagegen setzt wohl eine Einheitsversicherung voraus, dass die PKVen eine Krankenvollversicherung als mittelfristig beendet.
Damit muss klar sein, dass der Gesetzgeber bestehende Verträge gegen den Willen der Kunden nicht in die Bürgerversicherung überführen kann, weil dies unzulässig in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Artikel 2 Absatz 1 GG) der Versicherer und der Versicherten eingreift.
Neuabschlüsse zu untersagen, würde sich ebenfalls verbieten, weil PKVen zu beseitigen, ein Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit sein muss (Artikel 12 Absatz 1 GG). Somit bedürfte es einer Verfassungsänderung, um eine beide Modelle zusammenzuführen.
Wäre da nicht noch das Problem mit den beihilfeberechtigten Beamten.
Denn zwischen drei und vier Millionen beihilfeberechtigten Beamten in eine Einheitsversicherung nicht einzubeziehen, würde sich die Bürger-Versicherungskonzept nicht „rechnen“. Denn die Beamten sind beihilfeberechtigt und deshalb regelmäßig bzw. meist für den nichtbeihilfefähigen Aufwand an Krankheitskosten auf volle 100 % (= 50+50 oder 70+30 %) privat versichert.
Auch wenn die Beihilfe nicht zu den verfassungsrechtlich garantierten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Artikel 33 Absatz 5 GG gehört, muss der Dienstherr dafür sorgen, dass der angemessene Lebensunterhalt des Beamten im Krankheitsfall nicht gefährdet wird. So könnten Beamte der Länder gar nicht verfassungskonform in eine Einheitsversicherung einbezogen werden.
Fazit für Herrn Oberstudienrat und tausende seiner Kollegen: Auch nach der Bundestagswahl wird es beim dualen System der Krankenversicherung bleiben, weil GKV und PKV in die Werteordnung des Grundgesetzes passen. Denn die GKV steht für sozialstaatlich begründete Solidarität, die PKV für Privatautonomie und Eigenverantwortung.
Udo Steiner *) : Die Zukunft der Krankenversicherung in Deutschland liegt in der systemimmanenten, problemorientierten Fortentwicklung beider Zweige, die schon jetzt wegen der steigenden Kosten des Gesundheitswesens, die beide belasten, konstruktiv zusammenarbeiten.
*) emeritierter Professor für Öffentliches Recht an der Universität Regensburg; war bis 2007 zwölf Jahre lang Richter im Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts.
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